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Vermächtnisklage 5A_69/2021 Urteil vom 7. Januar 2022

  1. und A. sind die Töchter des 2018 verstorbenen D. (Erblasser). Gemäss öffentlicher letztwilliger Verfügung erben diese den Nachlass je zur Hälfte. Das öffentliche Testament enthält weiter ein Vermächtnis (Barlegat) von Fr. 200’000.– zu Gunsten von B., der Tochter von C.

B reichte nach dem Schlichtungsverfahren beim Richteramt Olten-Gösgen eine Klage gegen ihre Tante A. ein. Sie beantragte, die Beklagte sei als solidarisch haftende Erbin zu verurteilen, ihr den als Vermächtnis ausgerichteten Betrag von Fr. 200’000.– zuzüglich Zins zu 5 % zu Lasten des Nachlasses von D. zu bezahlen. Das Richteramt Olten-Gösgen hiess die Klage gut. Die Berufung von A. wies das Obergericht ab. A. erhebt eine Beschwerde ans Bundesgericht.

Umstritten ist hingegen, ob die beiden Schwestern als gesetzliche Erbinnen eine notwendige Streitgenossenschaft bilden bzw. ob die Beschwerdegegnerin das Vermächtnis in Form eines Barlegats von Fr. 200’000.– von der Beschwerdeführerin allein einfordern durfte.

Nach Art. 603 Abs. 1 ZGB sind die Erben für die Schulden des Erblassers solidarisch haftbar. Die Gläubiger sollen nach dem Tod des Erblassers nicht eine Mehrheit von Schuldnern belangen müssen, sondern sich für die ganze Forderung nach ihrer Wahl an einen einzelnen oder an mehrere Erben halten können, wobei es dann Sache der belangten Erben ist, auf ihre Miterben Rückgriff zu nehmen (BGE 101 II 218 E. 2).

Das Bundesgericht hat den Grundsatz der Solidarhaftung auf die Ausrichtung von Vermächtnissen ausgedehnt, obwohl es sich dabei streng genommen nicht um Schulden des Erblassers, sondern der Erben handelt (BGE 101 II 218 E. 2 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 5A_881/2012 vom 26. April 2013 E. 5.1). B. durfte demzufolge alleine gegen ihre Tante A. vorgehen, um an die Auszahlung ihres Legats zu kommen. Das Bundesgericht wies die Beschwerde von A. ab.

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Uber-Fahrer sind doch Angestellte

Das Bundesgericht fällte am 30. Mai 2022 zwei Urteile (2C_575/2020; 2C_34/202) betreffend den Fahrdienst «Uber» und den Essenslieferanten «Uber Eats».

Betreffend «Uber Eats» hielt das Bundesgericht fest, dass die Kuriere als Angestellte von UBER CH seien anzusehen seien, aber kein Personalverleih mit den Restaurants bestehen würden. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde von UBER CH gut

 

Das Bundesgericht hielt fest, dass das Kantonsgericht Genf bezüglich des Fahrdienstes nicht willkürlich entschieden hat, wenn es das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses der in Genf tätigen Uber-Fahrern zu Uber B.V. der niederländischen Gesellschaft bejaht. Das Bundesgericht wies daher die Beschwerde von Uber Schweiz GmbH und UBER BV ab.

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Erbrechtsrevision

Das bereits hundertjährige Schweizer Erbrecht wird revidiert. Heutzutage gibt es neben der traditionellen Ehe vielfältige Lebensformen wie Lebenspartnerschaften mit gemeinsamen Kindern, alleinerziehende Menschen oder solche, die in Patchwork-Familien leben. Diese Lebensformen widerspiegeln das geltende Erbrecht nicht genügend. Es bedarf somit einer Anpassung des Erbrechts an die veränderten Lebensformen. Die Revision soll bereits Anfang 2022 in Kraft treten.

Revidiert wird vor allem das Pflichtteilsrecht. Dies ist der Teil, auf den z.B. die Nachkommen oder der Ehegatte zwingend Anspruch haben, wenn die Erblasserin oder der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen erlässt.

Die Idee hinter der Revision ist, dass die Erblasserin oder der Erblasser mit der Revision über einen grösseren Teil des Nachlasses frei verfügen und bspw. die Lebenspartner bzw. Lebenspartnerin oder Stiefkinder stärker begünstigen kann. Bisher betrug der Pflichtteil der Nachkommen ¾ des gesetzlichen Erbteils. Neu soll der Pflichtteil der Nachkommen bloss ½ des gesetzlichen Erbteils sein. Weiterhin soll der Pflichtteilsanspruch der Eltern des Erblassers ersatzlos gestrichen werden. Der Pflichtteil des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners soll jedoch weiterhin ¼ des gesetzlichen Erbanspruchs bleiben. Mit dieser Revision kann auch einfacher die Unternehmensnachfolge geregelt und Liegenschaften an einzelne Erben zugeteilt werden.

Das Pflichtteilsrecht ist jedoch nicht beachtlich, wenn der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen erlassen hat, da in solchen Fällen die gesetzliche Erbfolge folgt.

Neu soll auch ein Unterstützungsanspruch für faktische Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner eingeführt werden, die nach dem Tod ihres Partners oder ihrer Partnerin in Armut geraten.

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COVID-19-Verordnung 2 bzgl. Kurzarbeit

  • Die Frist zur Voranmeldung für Kurzarbeit wird aufgehoben (-> Aufhebung der Karenzfrist) und die Bewilligungsdauer der Kurzarbeit beträgt neu sechs Monate.
  • Neu kann die Kurzarbeitsentschädigung (KAE) auch für Mitarbeitende in befristeten Arbeitsverhältnissen und für Lernende und temporär Angestellte geltend gemacht werden.
  • Selbständig Erwerbende, die Erwerbsausfälle erleiden, werden entschädigt, sofern keine anderweitige Entschädigung oder Versicherungsleistung besteht. Eine Entschädigung ist vorgesehen für bspw. Ausfall der Fremdbetreuung für Kinder, einer ärztlich verordneten Quarantäne oder bei der Schliessung eines öffentlich zugänglichen Betriebes aufgrund einer behördlichen Massnahme. Die Entschädigung wird in Taggeld ausgerichtet mit höchstens CHF / Tag 196.00.
  • Selbständig Erwerbende, die ihrer Tätigkeit weiterhin nachgehen dürfen, doch aufgrund der Coronakrise in finanzielle Not geraten, können Anspruch auf Entschädigung des Erwerbsausfalls stellen, wenn sie für 2019 ein AHV-pflichtiges Jahreseinkommen zwischen CHF 10’000.00 und 90’000.00 bei der Ausgleichskasse abgerechnet haben.
  • Arbeitnehmer hingegen erhalten weiterhin 80% des anrechenbaren Verdienstausfalls.
  • Betroffene Unternehmen (Einzelunternehmen, Personengesellschaften und jur. Personen) können einen einmaligen Überbrückungskredit in der Höhe von bis zu 10% des Umsatzes (max. CHF 20 Mio.) erhalten, wobei die Kredite bis zu CHF 500’000.00 zinslos gewährt werden.
  • Den betroffenen Unternehmen kann ein vorübergehender, zinsloser Zahlungsaufschub für die Beiträge an die Sozialversicherungen (AHV/IV/EO/ALV) gewährt werden. Weiter besteht die Möglichkeit einer Reduktion der regelmässigen Akontobeiträge an die Sozialversicherungen, wenn die Summe der Löhne wesentlich gesunken ist.
  • Betroffene Unternehmen erhalten die Möglichkeit, im Steuerbereich die Zahlungsfristen zu erstrecken, ohne Verzugszinsen zu zahlen. Betroffene Abgaben sind die MWST, Zölle, besondere Verbrauchssteuern, Lenkungsabgaben.
  • Der vorgängige Abbau von Mehrstunden der Arbeitnehmer ist nicht erforderlich.
  • Die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht nur, wenn die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung in der Person des Arbeitnehmers liegt.
  • Für besonders gefährdete Personen wird Homeoffice in der COVID-19-Verordnung 2 ausdrücklich vorgesehen.
  • Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vertritt ausdrücklich die Haltung, dass Klientenbesprechungen in Anwaltskanzleien weiterhin möglich sind, unter Beachtung der Abstands- und Hygienevorschriften.
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Das neue Verjährungsrecht

Seit dem 1. Januar 2020 hat sich das Verjährungsrecht massgebend geändert. Neu beträgt die Verjährungsfrist für eine Klage aus einer Vertragshaftung (Art. 128a OR) bei einer vertragswidrigen Körperverletzung oder Tötung relativ 3 Jahre ab Kenntnis des Schadens. Auch die absolute Verjährungsfrist beträgt neu 20 Jahre, vorher waren es lediglich 10 Jahre.

Auch die relativen Verjährungsfristen für Klagen aus unerlaubten Handlungen (Art. 60 Abs. 1 OR) oder aus ungerechtfertigten Bereicherungen (Art. 67 Abs. 1 OR) betragen neu 3 Jahre. Die absolute Verjährungsfrist bleibt jedoch 10 Jahre, jedoch mit der Ausnahme, dass die Frist bei widerrechtlichen Körperverletzungen oder bei einer Tötung neu 20 Jahre beträgt.

Neu beträgt die relative Verjährungsfrist für Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche aus Unfällen mit Motorfahrzeugen (Art. 83 Abs. 1 SVG), Ansprüche aus Staatshaftung gegen den Bund (Art. 20 VG), für Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche im Rahmen der behördlichen Massnahmen des Erwachsenenschutzes durch widerrechtliches Handeln oder Unterlassen (Art. 455 ZGB) und aus Haftung des Kantons bei der Durchführung der Schuldbetreibungen und der Konkurse widerrechtlich verursachte Schaden (Art. 6 SchKG) 3 Jahre.

Neu kann der Schuldner ab Beginn der Verjährung jeweils für höchstens 10 Jahre auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten. Weiter gibt das Gesetz den Parteien neu die Möglichkeit, den Stillstand der Verjährungsfristen während Vergleichsgesprächen zu vereinbaren (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 8 OR).

Die vorhin erwähnten Änderungen des Verjährungsrechts gelten, sofern das Gesetz neu eine längere Verjährungsfrist als das bisherige Recht vorsieht und die bisherige Verjährung nach bisherigem Recht noch nicht eingetreten ist. Bestimmt jedoch das Gesetz neu eine kürzere Frist, so gilt das bisherige Recht (Art. 49 Abs. 1 und 2 SchlT ZGB).

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Voraussetzungen für die alternierende Obhut bzw. Betreuung des Kindes nach der Trennung der Eltern

Beim Wechselmodell soll der Aufenthalt des Kindes annähernd gleichmässig auf die Wohnsitze der getrennten Eltern verteilt werden, im Unterschied zum vorherrschenden Einzelresidenzmodell, bei dem das Kind nur bei einem Elternteil einen dauerhaften Wohnsitz hat. Juristisch spricht man beim Wechselmodell von alternierender Obhut und beim Einzelresidenzmodell von alleiniger Obhut (Art. 133 Abs. 1 Ziff. 2 u. 3, Art. 133 Abs. 2 ZGB).

Das Wechselmodell bietet die Chance, dass beide Elternteile ihr Kind trotz Trennung intensiv betreuen und fördern können. Dieses Modell darf jedoch nur vereinbart oder richterlich angeordnet werden, wenn es im Wohl des Kindes liegt. Die Eltern müssen für die alternierende Obhut bzw. Betreuung erziehungs-, kommunikations- und kooperationsfähig sein. Im Einzelfall zu berücksichtigen sind die Distanz zwischen den Wohnungen der beiden Eltern, die Möglichkeit der Eltern, das Kind persönlich zu betreuen, der Wunsch des Kindes, sein Alter, seine Beziehungen zu (Halb- oder Stief-) Geschwistern und seine Einbettung in ein weiteres soziales Umfeld. Die alternierende Obhut kommt eher in Betracht, wenn die Eltern das Kind schon vor ihrer Trennung abwechselnd betreut haben (Erlebniskontinuität bzw. -Stabilität; vgl. zum Ganzen: BGE 5A_888/2016 vom 20. April 2018 E. 3, 142 III 612, 142 II 617).

Ein Elternteil kann trotz Wechselmodells vom anderen Kindesunterhalt erhalten, wenn die Betreuungsanteile nicht ausgeglichen sind oder ein Elternteil wirtschaftlich erheblich stärker ist. Das Wechselmodell darf aber keinesfalls von einem Elternteil aus dem Grund gewählt werden, um Kindesunterhalt zu sparen.

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Neue bundesgerichtliche Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt

Wie viel muss ein Elternteil nach einer Ehescheidung oder Ehetrennung arbeiten, wenn er zusätzlich noch ein Kind oder Kinder hauptsächlich (eigen)betreut?

Kriegte ein Elternteil, der bislang keiner Erwerbstätigkeit nachging, bei einer Scheidung oder Trennung die Kinder zugesprochen, musste er im Normalfall ab dem 10. Lebensjahr des jüngsten Kindes einem 50% Arbeitspensum und ab dem 16. Lebensjahr einem 100% Arbeitspensum nachgehen. Dies war die sogenannte 10/16 Regel, welche vom Bundesgericht mit Entscheid vom 21. September 2018 (5A_384/2018) revidiert wurde.

Neu muss der hauptbetreuende Elternteil im Normalfall erwerbstätig sein (sog. Schulstufen-Modell):

  • ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes grundsätzlich zu 50%;
  • ab Eintritt in die Sekundarstufe zu 80%;
  • ab vollendetem 16. Lebensjahr zu 100%.

Der Beginn der obligatorischen Einschulung bestimmt sich nach kantonalem Recht. Im Kanton Aargau beginnt die obligatorische Einschulung mit dem Eintritt ins erste Kindergartenjahr.

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Die Freiteilsregelung – ein Beitrag zu einem liberalen und einfacheren Erbrecht?

Das über 100-jährige Erbrecht soll sich nach dem Bundesrat den heutigen Lebenswirklichkeiten, wie z. Bsp. den Konkubinatsverhältnissen, anpassen.

 

Die Erblasserin bzw. der Erblasser soll nebst der frei verfügbaren Quote über eine Quote des Pflichtteilvermögens zugunsten der Eltern, Kinder, der Ehepartnerin bzw. des Ehepartners, der Konkubinatspartnerin bzw. des –partners und Stiefkinder (jedoch höchstens einen Viertel von jedem einzelnen Pflichtteil) testamentarisch frei verfügen können (Freiteilsregelung).

 

Die vom Bundesrat vorgesehene Freiteilsregelung schafft der Erblasserin bzw. dem Erblasser zwar mehr Testierfreiheit und Gestaltungsspielraum zugunsten der Stiefkinder, der nicht pflichtteilsbelasteten Erben und der Konkubinatspartnerinnen bzw. Konkubinatspartner; diese Freiteilsregelung wird aber das Erbrecht kaum vereinfachen und verständlicher machen (vgl. hierzu Daniela Klöti, Freiheit beim Vererben, in NZZ Nr. 260 vom 8. November 2017, S. 10).